KI-Ensemble-Prognosen – wahrscheinlich die derzeit besten Wetterprognosen
Die Wettervorhersage hat sich in den letzten Jahrzehnten dramatisch weiterentwickelt. Von einfachen Beobachtungen bis hin zu komplexen Computermodellen – die Präzision der Prognosen ist stetig gestiegen. Doch die Einführung von KI-gestützten Ensemble-Vorhersagen, wie sie das Europäische Zentrum für mittelfristige Wettervorhersage (ECMWF) mit seinem AIFS-Modell (Artificial Intelligence Forecasting System) liefert, markiert einen weiteren Quantensprung. Auch wenn die grafische Darstellung für Laien auf den ersten Blick ungewohnt erscheinen mag, repräsentiert diese Art der Ortsprognose derzeit eine der besten verfügbaren Wettervorhersagen. Nehmen wir als Beispiel die Ensemble-Prognose des AIFS (ECMWF) für Berlin und schauen wir uns an, warum diese Methodik so überlegen ist.

Was genau ist in dieser Darstellung zu sehen? Das Meteogramm erklärt
Ein typisches ECMWF-Ensemble-Meteogramm, wie es hier als Beispiel für Berlin gezeigt ist, ist eine reichhaltige Informationsquelle. Es unterscheidet sich von den gewohnten „Ein-Linien-Prognosen“ dadurch, dass es nicht nur ein einziges, deterministisches Ergebnis liefert, sondern ein Spektrum möglicher Entwicklungen aufzeigt. Die wichtigsten Elemente, die du in einem solchen Diagramm siehst, sind:
- Die Vielzahl an Linien (Ensemble-Mitglieder): Jede dünne Linie im Diagramm repräsentiert einen einzelnen „Lauf“ des Wettermodells. Das ECMWF-Ensemble, einschließlich des AIFS, besteht aus zahlreichen solcher Läufe (oft 51 Mitglieder, 50 „gestörte“ Läufe und ein Kontrolllauf). Jeder Lauf startet mit leicht unterschiedlichen Anfangsbedingungen, um die unvermeidbare Unsicherheit der gegenwärtigen Wetterlage abzubilden. Die Streuung dieser Linien zeigt die Unsicherheit der Prognose: Je weiter die Linien auseinanderliegen, desto unsicherer ist die Vorhersage für diesen Zeitpunkt.
- Die dicke Linie (Ensemble-Mittelwert oder Kontrolllauf): Oft ist eine der Linien dicker oder farblich hervorgehoben. Dies kann der Ensemble-Mittelwert sein (der Durchschnitt aller Läufe) oder der Kontrolllauf (ein hochauflösender Lauf ohne bewusste Störungen der Anfangsbedingungen, oft als „HRES“ bezeichnet). Er gibt einen wahrscheinlichsten Trend an, aber es ist entscheidend zu verstehen, dass dies nur eine von vielen Möglichkeiten ist.
- Schattierungen und Boxplots (Wahrscheinlichkeiten und Verteilungen): Viele Meteogramme verwenden Schattierungen oder „Box-and-Whisker“-Plots, um die Verteilung der Ensemble-Mitglieder zu visualisieren. Beispielsweise können unterschiedliche Graustufen oder Farbbereiche die Wahrscheinlichkeit anzeigen, dass ein bestimmter Parameter (z.B. Temperatur) in einen bestimmten Bereich fällt. Ein Boxplot zeigt oft den Median (die mittlere Linie), die Interquartilsbereiche (die Box, die 25. bis 75. Perzentile) und die Extremwerte (die „Whisker“). Dies ermöglicht eine schnelle visuelle Einschätzung der Wahrscheinlichkeiten und der Spannweite der möglichen Wetterereignisse.
- Parameter: Auf den Achsen des Meteogramms sind verschiedene Wetterparameter aufgetragen, typischerweise:
- Temperatur: Entwicklung der 2m-Temperatur über die Zeit.
- Niederschlag: Oft als Balken oder Summen für bestimmte Zeiträume dargestellt, manchmal auch mit Angaben zur Wahrscheinlichkeit von Niederschlagstypen (Regen, Schnee, etc.).
- Wind: Windgeschwindigkeit.
- Bewölkung: Gesamtbewölkung in Prozent.
Die horizontale Achse stellt immer die Zeit dar, die hier über 10 Tage reicht, während die vertikale Achse die Werte der jeweiligen Wetterparameter anzeigt.
Warum diese Form von Wetterprognosen derzeit nahezu die Beste ist
Die Überlegenheit von Ensemble- und insbesondere KI-gestützten Ensemble-Prognosen wie AIFS beruht auf mehreren Schlüsselfaktoren, die sie gegenüber traditionellen deterministischen Modellen auszeichnen:
- Umgang mit Unsicherheit: Die Atmosphäre ist ein chaotisches System. Selbst kleinste Fehler oder Unsicherheiten in den Anfangsbedingungen können nach wenigen Tagen zu großen Unterschieden in der Vorhersage führen. Deterministische Modelle liefern nur eine mögliche Zukunft. Ensemble-Vorhersagen begegnen dieser Herausforderung, indem sie Dutzende von Simulationen parallel laufen lassen, jede mit leicht variierten Anfangsbedingungen und Modellparametern. Das Ergebnis ist ein Spektrum möglicher Wetterentwicklungen, das die inhärente Unsicherheit der Prognose widerspiegelt. Dies ist von unschätzbarem Wert für Entscheidungen, die wetterabhängig sind, von der Landwirtschaft bis zur Katastrophenvorsorge.
- Wahrscheinlichkeitsaussagen: Anstatt nur zu sagen „Es wird regnen“, können Ensemble-Prognosen aussagen „Es gibt eine 70%ige Wahrscheinlichkeit für mehr als 5 mm Niederschlag“. Solche probabilistischen Informationen sind wesentlich nützlicher für Planungen, da sie ein Risikomanagement ermöglichen. Wenn alle Ensemble-Mitglieder ähnliche Ergebnisse zeigen, ist die Vorhersage hochwahrscheinlich. Zeigen sie eine große Streuung, ist die Unsicherheit hoch, und man sollte sich auf verschiedene Szenarien vorbereiten.
- Frühere Erkennung von Extremwetterereignissen: Ensemble-Modelle sind oft in der Lage, das Potenzial für Extremwetterereignisse (wie starke Stürme, Hitzewellen oder Starkregen) früher zu erkennen als deterministische Modelle. Wenn nur einige Ensemble-Mitglieder ein extremes Ereignis vorhersagen, auch wenn der Mittelwert es nicht tut, ist dies ein wichtiges Warnsignal für Meteorologen, die Situation genauer zu beobachten.
- Integration von Künstlicher Intelligenz (AIFS): Das AIFS (Artificial Intelligence Forecasting System) des ECMWF nutzt modernste KI-Technologien, insbesondere neuronale Netze und maschinelles Lernen. Diese Systeme lernen aus riesigen Mengen historischer Wetterdaten und den Ergebnissen komplexer physikalischer Modelle, um Muster und Zusammenhänge zu erkennen, die für herkömmliche Algorithmen schwer fassbar wären. AIFS kann die Effizienz der Berechnungen erheblich steigern und gleichzeitig die Genauigkeit verbessern, insbesondere bei der Vorhersage von Parametern wie Niederschlag oder Wolken. Es ermöglicht eine noch präzisere und gleichzeitig schnellere Generierung der Ensemble-Mitglieder, was zu einem insgesamt leistungsfähigeren Vorhersagesystem führt.
- Robustheit und Verlässlichkeit: Durch die Berücksichtigung einer Bandbreite von Szenarien sind Ensemble-Prognosen robuster gegenüber plötzlichen Modelländerungen oder geringfügigen Ungenauigkeiten. Sie bieten eine verlässlichere Einschätzung der zukünftigen Wetterlage, da die tatsächliche Entwicklung mit höherer Wahrscheinlichkeit innerhalb des prognostizierten Ensembles liegt.
Fazit – KI-Ensemble-Prognosen
Auch wenn die Darstellung eines Ensemble-Meteogramms zunächst eine gewisse Einarbeitung erfordert, um die verschiedenen Linien, Schattierungen und Wahrscheinlichkeiten richtig zu interpretieren, ist der Mehrwert für eine fundierte Wetterbeurteilung immens. Die Kombination aus der Ensemble-Methodik und der fortschrittlichen KI-Technologie des AIFS macht die ECMWF-Prognosen zu einem der präzisesten und informativsten Werkzeuge, das Meteorologen und auch informierten Laien heute zur Verfügung steht. Zusätzlich wird diese Prognose alle 6 Stunden aktualisiert. Sie bietet nicht nur einen Blick in die Zukunft, sondern auch eine realistische Einschätzung der damit verbundenen Unsicherheiten – ein entscheidender Faktor für eine vorausschauende Planung des Wetter und den damit verbundenen Rahmenbedingungen.
Lars Hattwig
Passend zur KI-Wettervorhersage auch die folgende Meldung:
https://www.heise.de/news/Gut-vorhergesagt-Googles-KI-Modell-zeigte-bei-Hurrikan-Erin-sein-Koennen-10622594.html