Kälteste und nasseste Sommer Mitteleuropa seit 2000 Jahren
Mitteleuropa ist bekannt für seine abwechslungsreiche Wettergeschichte, die von heißen, trockenen Jahrhundertsommern bis hin zu kühlen, regnerischen Sommern reicht. Im früheren Artikel hatte ich bereits auf die heißesten Dürresommer der letzten 2000 Jahren geschaut, wobei 1540 trotz mehrerer heißer Sommern in den letzten 25 Jahren wohl noch immer die Nummer 1 in Mitteleuropa ist.
Obwohl der Hochsommer 2025 viel Regen brachte, war es im historischen Vergleich kein besonders kalter oder nasser Sommer. Denn besonders die kältesten und nassesten Sommer haben in den letzten 2000 Jahren tiefgreifende Auswirkungen auf Gesellschaft, Landwirtschaft und Kultur hinterlassen. In diesem Artikel skizziere ich typische Wetterlagen für kühle und nasse Sommer, analysiere die kältesten und nassesten Sommer in Mitteleuropa seit der Antike und blicke auf offene Fragen sowie mögliche externe Einflüsse wie vulkanische Ereignisse.
Dieser Artikel betrachtet einen Teilbereich der ausführlichen und detaillierten chronologischen Auflistung der Seite Außergewöhnliche/Extreme Wetterereignisse in Mitteleuropa der letzten 2000 Jahre. Eine Fundgrube von historischen Ereignissen, nicht nur aus der Sicht des Wetters und Klima. Eine chronologische Übersicht der politischen und gesellschaftlichen Ereignisse mit Fokus auf offene Fragen auf der Seite Historie und Gesellschaft.
Was sind typische Wetterlagen für kühle und nasse Sommer im Vergleich zu Hitzesommern?
Kühle und nasse Sommer in Mitteleuropa stehen in starkem Kontrast zu heißen und trockenen Jahrhundertsommern. Während bei markante Hitzewellen die Belastung für Menschen in ihrem Alltag seit einigen Jahrzehnten durch Klimaanlagen vermindern werden kann, möchte man in richtig kühlen Sommern am liebsten wieder heizen wie im Winterhalbjahr. Die Wetterlagen, die solche Regensommer prägen, lassen sich durch charakteristische atmosphärische Muster erklären:
Kühle und nasse Sommer:
Diese Sommer sind oft durch Tiefdruckgebiete geprägt, die kühle, feuchte Luftmassen aus dem Nordatlantik oder der Arktis nach Mitteleuropa bringen. Häufige Merkmale sind:
- Nördliche Luftströmungen: Statt warmer südlicher Strömungen dominieren kühle Nord- oder Nordwestwinde, die die Temperaturwerte senken.
- Häufige Niederschläge: Tiefdrucksysteme führen zu langanhaltenden Regenperioden, oft begleitet von Gewittern oder sogar Schneeregen in höheren Lagen.
- Geringe Sonneneinstrahlung: Dichte Wolkendecken reduzieren die Sonneneinstrahlung, was die Erwärmung des Bodens verhindert.
- Kaltlufteinbrüche: Frühsommerliche Kaltlufteinbrüche können sogar zu Frost oder Schneefall in höheren Lagen führen, wie etwa auf der Schneekoppe oder dem Brocken. Ein Beispiel für solche Bedingungen ist der Sommer 1816, bekannt als das „Jahr ohne Sommer“, in dem vulkanisch bedingte Abkühlung und starke Niederschläge die Ernte in Mitteleuropa vernichteten.
Auch die Phase des Sommers ist entscheidend, wie stark Kaltluftvorstöße aus polaren Regionen die Witterung beeinflussen können. Mehr im Artikel: Die Sommer in der Arktis und die Auswirkungen auf Mitteleuropa.
Hitzesommer:
Im Gegensatz dazu werden Jahrhundertsommer durch stabile Hochdruckgebiete, sogenannte Omegahochs, verursacht, die warme Luft aus Südeuropa oder Nordafrika nach Mitteleuropa transportieren. Diese Sommer zeichnen sich aus durch:
- Hohe Temperaturen: Tageshöchstwerte über 30 °C, oft mit Hitzewellen wie im Sommer 2003.
- Trockenheit: Geringe Niederschläge und hohe Verdunstung führen zu Dürren.
- Lange Sonneneinstrahlung: Klare Himmel fördern die Erwärmung. Die Unterschiede zwischen diesen Wetterlagen erklären, warum kühle Sommer oft mit Ernteausfällen und Hungersnöten verbunden waren, während Hitzesommer Dürren und Wasserknappheit hervorriefen.
Welche Sommer galten in den letzten 2000 Jahren als besonders kalt und nass?
Die Klimageschichte Mitteleuropas zeigt mehrere Sommer, die aufgrund ihrer extremen Kälte und Nässe in die Geschichte eingegangen sind. Hier sind die markantesten Beispiele:
536: Der kälteste Sommer der Antike
Der Sommer 536 markiert eine der schwerwissenschaftlichsten Klimakrisen der Geschichte. Wissenschaftler wie Ulf Büntgen berichten von einer außergewöhnlichen zehnjährigen Kälteperiode (536–546), verursacht durch einen mutmaßlichen Vulkanausbruch oder Meteoriteneinschlag, der die Sonneneinstrahlung durch Staub in der Atmosphäre stark reduzierte. In Mitteleuropa sanken die Sommertemperaturen auf ein Rekordtief, was zu massiven Ernteausfällen führte. Pollenanalysen zeigen einen Rückgang der Landwirtschaft, während Wälder wuchsen. Die Folgen waren verheerend: Hungersnöte und ein Bevölkerungsrückgang prägen diese Zeit.
1315: Der Beginn des Großen Hungers
Der Sommer 1315 war der Auftakt zu einer mehrjährigen Krise (1315–1322), bekannt als der „Große Hunger“. Diese Periode wird oft mit der „Dante-Anomalie“ in Verbindung gebracht, einer Phase klimatischer Instabilität. Starke Regenfälle und kühle Temperaturwerte ließen Getreide verfaulen und Wein erfroren. Die Niederschläge waren so intensiv, dass Böden überschwemmt wurden, was die Landwirtschaft lahmlegte. Diese Periode wird mit einer geschwächten Bevölkerung in Verbindung gebracht, die später dem „Schwarzen Tod“ (1346–1352) wenig entgegenzusetzen hatte.

1342: Ein weiterer nasser Sommer
Der Sommer 1342 war von extremen Niederschlägen geprägt, die zu Überschwemmungen in Mitteleuropa führten. Historische Quellen berichten von Flutkatastrophen, insbesondere in Süddeutschland und den Alpenregionen. Die kühlen Temperaturwerte und die Nässe verschärften die landwirtschaftlichen Probleme, obwohl die Krise weniger schwerwiegend war als 1315. Genaue Temperaturdaten fehlen, aber Proxydaten aus Baumringen deuten auf eine deutliche Abkühlung hin.
1725: Kühle Sommer in der Kleinen Eiszeit
Die Kleine Eiszeit (ca. 1300–1850) brachte mehrere kühle Sommer, darunter 1725. Dieser Sommer war durch niedrige Temperaturwerte und häufige Regenfälle gekennzeichnet, die in Mitteleuropa zu Ernteverlusten führten. Besonders in Deutschland und den Niederlanden wurden nasse Bedingungen dokumentiert, die die Landwirtschaft beeinträchtigten. Vulkanische Aktivität, wie der Ausbruch des Vulkans Katla auf Island, könnte die Abkühlung verstärkt haben.

1816: Das Jahr ohne Sommer
Der Sommer 1816, auch „Achtzehnhundertunderfroren“ genannt, ist der bekannteste kälteste Sommer in Mitteleuropa. Der Ausbruch des Vulkans Tambora 1815 schleuderte enorme Mengen an Asche in die Stratosphäre, was die globalen Temperaturen um 0,4–0,7 °C senkte. In Mitteleuropa lag die Sommermitteltemperatur bei nur 14,1 °C (Referenzmittel 1961–1990: 16,3 °C). Starke Regenfälle und Spätfröste führten zu Ernteausfällen, Hungersnöten und sozialen Unruhen. In höheren Lagen wie der Schneekoppe (Riesengebirge) oder dem Feldberg (Schwarzwald) wurden vereinzelt Schneefälle berichtet. Dieser Sommer beeinflusste sogar die Kultur: Mary Shelley schrieb „Frankenstein“ während des regnerischen Sommers am Genfersee.
Weitere auffallend kühle oder/und nasse Sommer:
- 1907 und 1913: Diese Sommer waren in Deutschland besonders kühl, mit Durchschnittstemperaturwerte um 14,8 °C bzw. 15 °C. Starke Regenfälle prägten besonders den Norden und Osten.
- 1974: Nach dem Regensommer entstand das bekannte Lied von Rudi Carrell, „Wann wird es wieder richtig Sommer?„
- 1978: Ein kühler und nasser Sommer in Deutschland, besonders in höheren Lagen, mit vereinzelten Bodenfrösten.
- 2002: Bekannt für das Elbehochwasser im August, war dieser Sommer durch extreme Niederschläge geprägt, obwohl die Temperaturwerte nicht extrem niedrig waren.
- 2007: Nach einem trockenem und warmen Frühling folgte ein nasser und teilweise kühler Sommer.
- Auf der Seite Außergewöhnliche/Extreme Wetterereignisse in Mitteleuropa der letzten 2000 Jahre. sind weitere Sommer mit besonderen Auffälligkeiten und Extremen gelistet.
Offene Fragen und mögliche weitere Kandidaten
Die Erforschung der kältesten und nassesten Sommer in Mitteleuropa ist durch lückenhafte Daten, insbesondere vor dem 18. Jahrhundert, erschwert. Proxydaten wie Baumringe, Pollenanalysen und historische Berichte liefern Hinweise, aber präzise Temperatur- und Niederschlagsmessungen gibt es erst seit etwa 1761. Offene Fragen beinhalten:
- Weitere vulkanische Einflüsse: Neben dem Tambora-Ausbruch 1815 könnten andere Vulkanausbrüche, wie die hypothetische Eruption von 536 oder der Ausbruch der Katla 1721, ähnliche Klimastörungen verursacht haben. Die genauen Auswirkungen solcher Ereignisse sind jedoch schwer zu quantifizieren.
- Mögliche historische Regensommer-Kandidaten: Sommer wie 784 (Hungersnot durch Kälte) oder 1258 (nach einem Vulkanausbruch in Indonesien) könnten ebenfalls extrem gewesen sein, aber die Quellenlage ist dünn. Pollenanalysen deuten auf kühle, nasse Sommer in diesen Perioden hin.
- Regionale Unterschiede: Während Mitteleuropa oft von Kälte und Nässe betroffen war, konnten benachbarte Regionen wie Skandinavien oder Osteuropa normale Ernten haben, wie 1816 in Russland dokumentiert. Die markante Kälte in West- und Mitteleuropa neben der normalen bis überdurchschnittlichen Temperaturwerte über Osteuropa zeigen auch, dass Vulkanausbrüche auch nicht überbewertet werden sollten. Im Jahr 1816 hat es eine Region mit hoher Bevölkerungsdichte betroffen. Wären die Temperaturanomalien umgekehrt (Kälte über dem dünn besiedelten Osteuropa und normale bis übernormale Temperaturwerte in Westeuropa, wäre das Jahr 1816 gar nicht so prominent die die Historie eingegangen.
- Externe Ereignisse: Vulkanische Ereignisse spielen zwar eine eine Schlüsselrolle bei extremen Sommern. Der Tambora-Ausbruch 1815 ist das prominenteste Beispiel, aber auch die Klimakrise von 536 wird mit einem Vulkanausbruch oder Meteoriteneinschlag in Verbindung gebracht. Solche Ereignisse schleudern Asche und Schwefelgase in die Stratosphäre, was die Sonneneinstrahlung reduziert und globale Abkühlungen verursacht. Weitere mögliche Einflüsse sind Schwankungen in der Sonnenaktivität, wie das Dalton-Minimum (1790–1830), das 1816 die Abkühlung verstärkte.
Fazit
Die kältesten und nassesten Sommer in Mitteleuropa, wie 536, 1315, 1342, 1725 und 1816, waren oft durch Tiefdruckgebiete, kühle Nordwinde, regenreiche Westwinde und teilweise auch durch vulkanische Einflüsse geprägt. Diese Sommer führten zu Ernteausfällen, Hungersnöten und kulturellen Veränderungen, wie der Entstehung von „Frankenstein“ 1816. Während moderne Messungen seit 1761 präzise Daten liefern, bleiben ältere Perioden durch Proxydaten und historische Berichte schwer zugänglich. Die Erforschung dieser Klima-Anomalien zeigt, wie stark das Wetter die Geschichte prägt – und wie wichtig es ist, die Klimageschichte für die Zukunft zu verstehen. Der Aspekt, dass kalte Phasen in der Geschichte Mitteleuropas, sowohl extrem kühle Regensommer als auch strenge Winter, gesellschaftlich, politisch und wirtschaftliche oft keine guten Zeit für die Menschen waren, wird oft in heutigen Diskussionen über Klimawandel ausgeklammert. Natürlich sind extreme Hitze und Dürre wie 1540 oder unnatürlich milde Winter wie 1185/86 ebenfalls mit Nachteilen verbunden. Aber eine generell wärmere Epoche war historisch oft unterstützende für Wohlstand und anderen Annehmlichkeiten in der Bevölkerung.
Dieser Artikel „Kälteste und nasseste Sommer Mitteleuropa“ betrachte einen Teilbereich der ausführlichen und detaillierten chronologischen Auflistung der Seite Außergewöhnliche/Extreme Wetterereignisse in Mitteleuropa der letzten 2000 Jahre. Eine Fundgrube von historischen Ereignissen, nicht nur aus der Sicht des Wetters und Klimas.
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